Bild-Studie Teil 2 - Die Blogreihe

Männer, die Mächtigen - Frauen, die Familienmenschen

Frauen und Familienzugehörigkeit in der Bild-Zeitung.

„Götze-Freundin hautnah“, „Foto mit Ex-Spieler-Frau“., „Warum stoppt die 3-fache Mutter den Schlächter nicht?“ Frauen werden in der Bild-Zeitung selten beim Namen genannt und doppelt so häufig im Kontext ihrer familiären Zugehörigkeit dargestellt wie Männer. Wir haben nachgezählt:

 

Die Studie

In unserer zweiten Bild-Studie haben wir untersucht, wie häufig und auf welche Weise über Frauen berichtet wird - anderthalb Monate lang haben wir alle Statusbezeichnungen und das zugewiesene Geschlecht gezählt. Was dabei herauskam ist nicht gerade erfreulich, aber auch nicht unbedingt überraschend:

Zum Beispiel spielen in Bezeichnungen von Frauen häufig ihre (Familien-)Beziehungen eine Rolle, während Männer eher über ihre Profession Beachtung finden. Sieht man sich die Top 10 der von uns am häufigsten gezählten Bezeichnungen an, gibt es einen klaren Unterschied zwischen den Geschlechtern. Männer kommen meistens als „Trainer, Mann, Manager, Präsident“ und „Prinz“ in der Bild-Zeitung vor, während Frauen vor allem als „Frau, Queen, Kanzlerin, Mutter“ und „Tochter“ bezeichnet werden. In den Top 10 der Männer finden sich so nur drei Begriffe mit Verweis auf die Familie oder das Geschlecht (Mann, Sohn, Vater), in den Top 10 der Frauen dafür sechs (Tochter, Mutter, Mädchen, Frau, Ehefrau, Freundin). Sieht man sich die Art der Familienbeziehungen genauer an, werden die Unterschiede noch deutlicher. So werden Frauen doppelt so häufig in Bezug auf ihre (männlichen) Partner und sogar mehr als doppelt so häufig als Freundin von einer anderen Person bezeichnet wie Männer.

 

 

Die hübsche „Freundin von…“ - Frauen als Anhängsel

Jeden Tag beweist die Bild-Zeitung aufs Neue, dass Frauen hauptsächlich hübsches Beiwerk darstellen. Auf der Startseite von Bild-Online prangt neben den Nachrichten aus Politik oder Sport täglich eine halbnackte Frau - Nachricht: egal. Ob es um ein Tattoo geht, das neuerdings angesagt ist oder um eine x-beliebige Krankheit - eine leicht bekleidete Frau passt immer. Besonders gerne wird auch der Name eines berühmten Mannes als Aufhänger für ein Bikini-Bild genutzt. Bestes Beispiel: Der Sportteil. Frauen kommen hier fast nicht vor, außer als hübsche „Götze-Freundin“, „Schweini-Freundin“, „Ronaldos Ex“, „Spieler-Frau“, „Sieger-Freundin“, „Tennis-Freundin“, „Boateng-Verlobte“, „Pocher-Becker-Haas-Ex“ etc. etc. Wir könnten die Liste endlos weiterführen. Frauen werden vielfach über ihre (männlichen) Partner, Freunde oder Ehemänner definiert und ihre eigenen Namen, Geschichten und Tätigkeiten werden ignoriert.

 

Sexobjekt oder Mutter

Wenn die Redakteur*innen aber tatsächlich nicht mehr drumherum kommen, über die gesellschaftlichen oder politischen Handlungen von Frauen zu berichten, wird häufig ihr Familienleben ins Spiel gebracht. Angela Merkel wird ständig als Mutti bezeichnet, und das nicht nur von der Bild-Zeitung. Über die Ehefrau von Baschar al-Assad, Asma al-Assad, wird als „dreifache Mutter“ berichtet, um sie als herzlose Frau darzustellen, die die Taten ihres Mannes nicht stoppt. Ist eine Frau also in einer Machtposition und nimmt demnach eine Rolle ein, die lange Männern vorbehalten war, scheint es immer noch ein Reflex vieler Medien zu sein, erst einmal ihr Privatleben zu hinterfragen oder sie als Mutter zu bezeichnen - wohl um die Leser*innen nicht zu sehr zu verwirren und sie stattdessen in wohlige Klischees zu hüllen.

Namen und Macht

Der Status der (Familien)Beziehung einer Frau scheint allgemein um einiges mehr Nachrichtenwert zu haben, als der eines Mannes. Bereits eine europäische Vergleichsstudie aus den Jahren 1997-98 (Pantii 2007:24) über Frauen und Männer in Fernsehprogrammen zeigte, dass Politiker in den Medien zuerst einmal nur als Politiker wahrgenommen wurden, Politikerinnen allerdings zuerst als Frau, Ehefrau und Mutter. Und auch 2010 hatte sich noch nicht viel verändert, die Studie „Spitzenfrauen im Fokus der Medien“ (2010) offenbarte, dass Politikerinnen in vielen Zeitungen und Magazinen als „Powerfrau“ und „Mutti“ tituliert werden, Politiker jedoch als „Kämpfer“ und „Alphatier“.

Die Verortung und Bewertung der Frau anhand ihres Familienstatus ist historisch betrachtet nichts neues. Familien tragen meist den Namen des Mannes, bei einer Heirat ist es üblich, dass Frauen den Namen des neuen Ehemannes annehmen. Eine Frau wurde so schon immer im Kontext ihres familiären Bezuges zu einem Mann definiert. Manche Kulturen verbieten es bis heute, Frauen außerhalb des familiären Umfelds laut beim Namen zu nennen, denn: Wer einen Namen hat, ist auch mächtig. Die namenlosen Frauen in der Bildzeitung werden daher nicht nur ihrer Eigenständigkeit, sondern auch ihrer Macht beraubt.

 

 Die Verantwortung der Medien

Medien tragen dazu bei, dass sich unsere Gesellschaft in Sachen Gleichberechtigung auf der Stelle bewegt. Eine von Maria Furtwängler in Auftrag gegebene Studie belegte zuletzt, dass im deutschen Film und Fernsehen ein hochgradig veraltetes Geschlechterbild reproduziert wird: Über das gesamte Programm hinweg kommen auf eine Frau zwei Männer, ab 30 sind sie quasi unsichtbar und sie werden doppelt so häufig im familiären Kontext präsentiert wie Männer. In den Printmedien sieht es bei weitem nicht besser aus - das hat Einfluss! Wenn Politikerinnen in Zeitungen zunächst über ihre Familienbeziehungen definiert werden und Politiker über ihr professionelles Handeln, dann kann sich dies zum Beispiel auf das Wahlverhalten der Bürger*innen auswirken. Auch tragen stereotype mediale Darstellungen dazu bei, dass Frauen in unserer Gesellschaft in erster Linie als aufopfernde emotionale Familienmenschen wahrgenommen werden (und diese Erwartungen nicht zuletzt auch an sich selbst stellen), was schließlich den Umstand unterstützt, dass sie den größten Teil an unbezahlter Hausarbeit, Kinderbetreuung und Angehörigenpflege leisten - mehr als doppelt so viel Zeit (60%) wie Männer bringen sie dafür auf. Die problematischen Auswirkungen auf das individuelle Einkommen, berufliche Chancen und Rentenansprüche sind offensichtlich.

Während Frauen sich also immer mehr Territorien der Gesellschaft erkämpfen, die früher ausschließlich Männern vorbehalten waren, zeichnen Medien weiterhin ein Bild, das Frauen auf ihr Aussehen oder ihre häusliche Rolle reduziert und Männern die Macht überlässt. Der Fakt, dass Medien in hohem Maße unsere Wahrnehmung und unsere Vorstellung von Normalität prägen, sollte mittlerweile bei den meisten angekommen sein. Wenn BILD über Männer als aktive Macher und über Frauen als Mütter, Töchter, Ehefrauen oder Freundinnen berichtet, zementiert dies ein antiquiertes Geschlechterbild in unseren Köpfen, beeinflusst unseren alltäglichen Umgang miteinander und trägt schließlich dazu bei, dass Frauen in vielen Bereichen der Gesellschaft Benachteiligungen erfahren.

Das können und wollen wir nicht länger hinnehmen. Deswegen fordern wir die Bild-Zeitung auf, endlich respektvoll und angemessen über Frauen zu berichten und sie in ihrer Vielfältigkeit zu würdigen. Bei Männern klappt es schließlich auch.

 

Lisa Purzitza

Unsere vollständige Studie zum Download findet ihr hier.

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Kommentare: 2
  • #1

    Johanna (Mittwoch, 06 September 2017 12:25)

    Ihr macht das echt super. Toll, dass es Menschen gibt, die sich solch eine Mühe machen. Vielen vielen Dank. Die Bild-Zeitung ist das Allerletzte.

  • #2

    RAin Dagmar Schön (Donnerstag, 07 September 2017 12:51)

    Es gibt leider viel zu viele Mulitplikatoren, die glauben, dass sie BILD benutzen könnten und nicht vertehen, dass nur sie dieser Schweinezeitung Glaubwürdigkeit verleihen.
    Da muss es einen nicht wundern, dass BILD diese luete sogar für eine Werbekampagne einspannen konnte. rühmliche Ausnahme: Judith Holofernes setzte sich einem öffentlichen Brief mit einer Anfrage der Werbeagentur Jung von Matt für BILD auseinander, den sie mit dem Satz: „Ich glaube, es hackt“ begann."Bild druckte den Brief ohne Genehmigung als bezahlte Anzeige in der taz ab und bedankte sich für die „ehrliche und unentgeltliche Meinung.“

    Für die ungenehmigte Verwendung ihres Schreibens als Werbeanzeige erhielt die Agentur im Jahr darauf den Bronzenagel des ADC (Preis der deutschsprachigen Kreativbranche: Art Directors Club für Deutschland e. V.). In ihrem Blog bedankte Holofernes sich 2012 bei dem Satiremagazin Titanic, das über diese erneute Wendung des Streits satirisch berichtete." https://de.wikipedia.org/wiki/Judith_Holofernes

    Danke, Judith!!